Veröffentlicht am März 11, 2024

Ein geerbter Nachlass voller Uhren, Schmuck und Silber kann schnell überfordern, doch der Schlüssel zu einer erfolgreichen Bewertung liegt nicht im Objekt, sondern in Ihrem klaren Ziel.

  • Definieren Sie zuerst Ihre Absicht: Geht es um einen schnellen Verkauf, die Erzielung des Maximalpreises oder um eine rechtssichere Wertermittlung für Erbschaft oder Versicherung?
  • Ihre Zielsetzung bestimmt den idealen Ansprechpartner. Ein Händler bietet Geschwindigkeit, ein Auktionator das Potenzial für Höchstpreise und ein vereidigter Sachverständiger neutrale, unanfechtbare Gutachten.

Empfehlung: Nutzen Sie die vergleichende Analyse in diesem Artikel, um eine strategische Vorauswahl zu treffen, bevor Sie den ersten Kontakt aufnehmen.

Der Dachbodenfund, die geerbte Schmuckschatulle, das Silberbesteck der Großeltern – was für den einen ein sentimentaler Schatz ist, stellt für den anderen eine komplexe Herausforderung dar. Sie halten eine goldene Taschenuhr, eine mit Steinen besetzte Brosche und diverse Silberobjekte in den Händen und die zentrale Frage lautet: Was ist das alles wert und an wen wende ich mich? Die schiere Anzahl an potenziellen Ansprechpartnern, von lokalen Juwelieren bis zu großen Auktionshäusern, wirkt oft lähmend. Der übliche Ratschlag, „einen Experten aufzusuchen“, ist zwar gut gemeint, aber wenig hilfreich, denn er ignoriert die wichtigste Variable im gesamten Prozess: Sie und Ihr Ziel.

Der entscheidende Fehler, den viele Besitzer machen, ist die sofortige Suche nach einem Gutachter, ohne die eigene Absicht geklärt zu haben. Doch die Expertise liegt nicht nur in der korrekten Identifizierung eines Objekts, sondern in der Wahl des richtigen Experten für Ihre spezifische Intention. Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob Sie schnell Liquidität benötigen, den höchstmöglichen Marktpreis erzielen möchten oder ein unanfechtbares Dokument für eine Erbengemeinschaft oder Versicherung brauchen. Die Antwort auf diese Frage ist der Kompass, der Sie durch das komplexe Ökosystem der Experten navigiert.

Dieser Leitfaden dient Ihnen als strategische Triage. Er ist konzipiert wie die erste Einschätzung in einem Auktionshaus: Wir sortieren, klären und weisen Ihnen den effizientesten Weg. Anstatt Ihnen nur zu sagen, dass es verschiedene Experten gibt, zeigen wir Ihnen, wann und warum Sie sich für einen Händler, einen Auktionator oder einen vereidigten Sachverständigen entscheiden sollten. Wir befähigen Sie, die richtigen Fragen zu stellen und die erhaltenen Antworten kritisch zu bewerten – vom Wert eines Zertifikats bis zur kritischen Einordnung einer TV-Expertise.

Um Ihnen eine klare Orientierung zu geben, gliedert sich dieser Artikel in präzise Themenblöcke. Jeder Abschnitt beleuchtet einen kritischen Aspekt der Bewertung und hilft Ihnen, Schritt für Schritt die Kontrolle über den Prozess zu gewinnen.

Worte sind gut, Zertifikate sind besser: Warum ein seriöser Händler Garantien gibt

In einem Markt mit allein in Deutschland über 6.261 Juwelieren ist Vertrauen die härteste Währung. Eine mündliche Zusage über die Echtheit oder Qualität eines Stückes ist gut, aber eine schriftliche Garantie in Form eines Zertifikats ist die Grundlage für jede seriöse Transaktion. Doch Zertifikat ist nicht gleich Zertifikat. Es ist entscheidend, die Hierarchie und die Aussagekraft dieser Dokumente zu verstehen, um sich vor teuren Fehlentscheidungen zu schützen. Ein einfaches Händlerzertifikat ist oft nicht mehr als eine erweiterte Quittung, während ein unabhängiges Gutachten eine international anerkannte Expertise darstellt.

Fallstudie: Der Unterschied zwischen Händlerzertifikat und unabhängigem Gutachten

Ein sogenanntes „Hauszertifikat“ eines deutschen Juweliers dient primär als Verkaufsdokumentation und basiert auf der Expertise des jeweiligen Händlers. Es ist oft kostenfrei und beschreibt das verkaufte Stück. Ein unabhängiges Gutachten von renommierten Instituten wie dem DSEF German Gem Lab in Idar-Oberstein hingegen folgt strengen internationalen Standards. Es verwendet wissenschaftliche Analysemethoden und genießt weltweite Anerkennung bei Versicherungen, Auktionshäusern und im internationalen Handel. Der deutliche Kostenunterschied – ein unabhängiges Gutachten kann zwischen 200 € und 500 € kosten – spiegelt den erheblich höheren Aufwand, die eingesetzte Technologie und vor allem die garantierte Neutralität wider.

Die Fähigkeit, die Qualität eines Zertifikats zu beurteilen, ist ein wesentlicher Schutzmechanismus. Vage Formulierungen, fehlende Kontaktdaten des Ausstellers oder der Versuch, gesetzliche Gewährleistungsrechte einzuschränken, sind klare Warnsignale. Ein seriöser Experte wird Sie immer auf die Möglichkeit eines zusätzlichen, unabhängigen Gutachtens bei besonders wertvollen Stücken hinweisen.

Ihr Prüfplan: Rote Flaggen bei Zertifikaten erkennen

  1. Kontaktdaten prüfen: Stellt der Aussteller des Zertifikats vollständige und nachprüfbare Kontaktdaten zur Verfügung?
  2. Präzision einfordern: Achten Sie auf exakte Angaben (z.B. genaue Karatzahl, Reinheit, Farbe) anstelle von vagen Beschreibungen wie „schöner Stein“.
  3. Garantiebedingungen lesen: Vergleichen Sie, ob die im Zertifikat genannten Garantien die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren einschränken oder untergraben.
  4. Unabhängigkeit fordern: Bestehen Sie bei hochwertigen Steinen oder Uhren auf einem Gutachten eines anerkannten, unabhängigen Instituts (z.B. GIA, HRD, DSEF).
  5. Schriftlichkeit verlangen: Fordern Sie eine schriftliche Dokumentation aller zugesicherten Eigenschaften und Expertisen als Teil des Kaufvertrags.

Vier Augen sehen mehr: Wann und wie Sie eine zweite Expertenmeinung einholen sollten

Der Grundsatz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ gilt insbesondere bei der Bewertung von Antiquitäten. Eine zweite, unabhängige Meinung ist kein Misstrauensvotum gegenüber dem ersten Experten, sondern ein Akt kaufmännischer Sorgfalt. Angesichts der Tatsache, dass allein der deutsche Schmuckmarkt 2023 ein Volumen von 4,1 Milliarden Euro umfasste, wird klar, dass es um erhebliche finanzielle Werte gehen kann. Eine zweite Expertise ist vor allem in drei Situationen unerlässlich: bei Objekten von potenziell hohem Wert (Richtwert > 3.000 €), bei großer emotionaler Bindung an das Stück oder wenn die erste Schätzung erheblich von Ihren Erwartungen abweicht.

Zwei Experten begutachten gemeinsam eine antike Taschenuhr

Der Prozess, eine zweite Meinung einzuholen, erfordert Diskretion und eine strategische Vorgehensweise, um eine unvoreingenommene Bewertung zu gewährleisten. Der Schlüssel liegt darin, dem zweiten Experten zunächst nur die objektiven Fakten zu präsentieren und die erste Schätzung bewusst zurückzuhalten. Kontaktieren Sie hierfür idealerweise einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, den Sie über die Datenbank Ihrer lokalen Industrie- und Handelskammer (IHK) finden. Diese Experten sind zur Neutralität verpflichtet. Dokumentieren Sie Ihr Objekt vorab mit hochauflösenden Fotos aus allen Winkeln und teilen Sie nur Fakten wie Maße, Gewicht und bekannte Materialien oder Gravuren mit.

Diese Vorgehensweise minimiert das Risiko einer beeinflussten Schätzung und gibt Ihnen eine solide zweite Datenbasis für Ihre Entscheidung. Weichen die beiden Expertisen stark voneinander ab, ist dies ein Anlass, die Methodik und die Interessen beider Gutachter genauer zu hinterfragen. Erst wenn Sie zwei unabhängige, aber plausible Bewertungen haben, verfügen Sie über eine realistische Preisspanne und eine starke Verhandlungsposition.

Wessen Interesse zählt? Der Unterschied zwischen Händler, Gutachter und Auktionator

Der häufigste Fehler bei der Suche nach Expertise ist die Annahme, dass alle Experten dasselbe Ziel verfolgen. In Wahrheit agieren Händler, vereidigte Sachverständige und Auktionatoren in einem Ökosystem mit fundamental unterschiedlichen Interessen und Geschäftsmodellen. Die strategische Entscheidung für den richtigen Ansprechpartner hängt einzig und allein von Ihrer persönlichen Zieldefinition ab. Bevor Sie also zum Telefon greifen, klären Sie für sich die Frage: Was will ich erreichen? Geschwindigkeit, maximalen Erlös oder rechtliche Sicherheit?

Die folgende Tabelle dient als Ihr strategischer Kompass. Sie zeigt auf einen Blick, welcher Experte für welches Ziel der richtige Partner ist und hilft Ihnen, die oft unklare Kostenstruktur zu verstehen. Ein Händler lebt von der Marge zwischen An- und Verkauf, ein Auktionator von der Provision des erzielten Hammerpreises und ein Sachverständiger von einem festen Honorar für seine neutrale Analyse.

Händler vs. Sachverständiger vs. Auktionator in Deutschland: Ein strategischer Vergleich
Kriterium Händler Vereidigter Sachverständiger Auktionator
Primäres Ziel Ankauf/Verkauf mit Gewinn Neutrale Wertermittlung Kommissionsverkauf
Vergütungsmodell Handelsmarge (20-50%) Festhonorar (200-1000€) Provision (15-25%)
Rechtliche Haftung Gewährleistung beim Verkauf Gutachterhaftung Kommissionsvertrag
Beste Eignung für Schneller Verkauf Versicherung/Erbschaft Maximaler Erlös

Fallstudie: Der unabhängige Sammlerberater als vierte Option

Eine oft übersehene, aber hochinteressante Alternative ist der unabhängige Sammler- oder Kunstberater. Diese Experten arbeiten ausschließlich auf Honorarbasis (typischerweise 80-150 € pro Stunde) und sind nicht am Handel beteiligt. Ihre alleinige Aufgabe ist es, die Interessen ihres Klienten zu vertreten. Sie begleiten Besitzer durch den gesamten Prozess – von der Erstbewertung über Restaurierungsfragen bis hin zur Entwicklung einer Verkaufsstrategie und der Verhandlung mit Auktionshäusern oder Händlern. Insbesondere bei umfangreichen Nachlässen oder wertvollen Sammlungen kann diese absolut neutrale Beratung einen erheblichen Mehrwert schaffen, da die Informations-Asymmetrie zwischen Laie und Marktprofi ausgeglichen wird.

Uhren als Wertanlage: Welche Marken und Modelle im Preis steigen

Neben dem emotionalen und historischen Wert besitzen insbesondere hochwertige mechanische Uhren auch ein erhebliches Potenzial als Wertanlage. Dieses Segment des Marktes folgt eigenen Regeln, die über rein ästhetische Aspekte hinausgehen. Während laut AWA 2023 etwa eine Million Deutsche den Kauf von wertvollem Schmuck planen, ist für eine erfolgreiche Investition spezifisches Wissen über werttreibende Faktoren unerlässlich. Nicht jede teure Uhr ist automatisch eine gute Geldanlage. Sammler und Investoren achten auf eine Kombination aus Marke, Modell, Zustand und Provenienz.

Auf dem deutschen Sammlermarkt gibt es spezifische Faktoren, die den Wert einer Uhr maßgeblich beeinflussen. Dazu gehören nicht nur international anerkannte Kriterien, sondern auch lokale Besonderheiten wie die Herkunft von einem deutschen Konzessionär oder die steuerliche Betrachtung von Veräußerungsgewinnen.

  • Achten Sie auf ‚Full Sets‘: Eine Uhr mit Originalbox und den ursprünglichen Papieren, idealerweise von einem deutschen Konzessionär, erzielt signifikant höhere Preise. Diese Vollständigkeit dokumentiert die Authentizität und Geschichte.
  • Bevorzugen Sie unpolierte Exemplare: Jede Politur des Gehäuses entfernt Material und kann die scharfen Kanten und ursprünglichen Formen verwischen. Ein unpolierter Zustand mit ehrlichen Tragespuren ist für Sammler oft mehr wert als ein „aufgefrischtes“ Exemplar.
  • Dokumentieren Sie die deutsche Provenienz: Alte Kaufbelege, Erbschaftsnachweise oder sogar Fotos, die die Uhr in Deutschland zeigen, können die Geschichte belegen und den Wert für lokale Sammler steigern.
  • Beachten Sie die Spekulationsfrist: Nach deutschem Recht sind Gewinne aus dem Verkauf von privaten Gütern, die länger als ein Jahr gehalten wurden, steuerfrei. Dies ist ein wichtiger Aspekt bei der Planung eines Verkaufs (gemäß § 23 EStG).
  • Investieren Sie in deutsche Manufakturen: Neben den Schweizer Giganten genießen deutsche Marken wie A. Lange & Söhne oder Glashütte Original weltweit einen exzellenten Ruf und zeigen eine stabile Wertentwicklung.

Eine Uhr als Wertanlage zu betrachten, erfordert somit einen Perspektivwechsel. Es geht weniger um den reinen Materialwert als um eine Kombination aus Seltenheit, Nachfrage, Zustand und dokumentierter Geschichte. Ein Experte für Uhren wird diese Faktoren in seine Bewertung einfließen lassen und kann eine Einschätzung über das zukünftige Wertpotenzial abgeben.

Was ist „Bares für Rares“ wirklich wert? Eine kritische Analyse der TV-Expertisen

Die ZDF-Sendung „Bares für Rares“ hat das Thema Antiquitäten in Deutschland popularisiert wie kein anderes Format. Sie bietet Unterhaltung und weckt bei vielen Besitzern alter Schätze die Hoffnung auf einen unerwarteten Geldsegen. Doch es ist entscheidend, die im Fernsehen präsentierten Expertisen und Händlergebote richtig einzuordnen. Sie repräsentieren einen spezifischen Kontext, der nicht eins zu eins auf die Realität übertragbar ist. Der größte Unterschied liegt in der Definition von „Wert“ und „Preis“.

Ein Sachverständiger im Fernsehen ermittelt einen potenziellen Marktwert unter idealen Bedingungen. Die Händler im Raum bieten hingegen einen Handelspreis, der ihre eigene Marge für den Weiterverkauf bereits einkalkuliert. Dieser Unterschied wird von Experten klar benannt.

Die TV-Expertise stellt eine obere Marktwertschätzung dar, während der im Händlerraum erzielte Preis ein Handelspreis unter Profis ist, der naturgemäß niedriger liegt.

– Frithjof Hampel, Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger

Fallstudie: Unterschied zwischen TV-Show und professionellem Gutachten

Bei „Bares für Rares“ erfolgt die fundierte Begutachtung durch die TV-Experten erst am Tag der Aufzeichnung selbst. Die Vorauswahl der Objekte durch die Redaktion basiert lediglich auf Fotos und wird von Kunsthistorikern getroffen. Ein professionelles, schriftliches Gutachten, wie es für eine Versicherung, ein Gericht oder eine Erbauseinandersetzung benötigt wird, ist ein ungleich aufwendigerer Prozess. Es umfasst detaillierte Materialanalysen, eine Recherche in Auktionsdatenbanken, die Dokumentation der Provenienz und eine rechtssichere Beschreibung nach festgelegten Normen. Die Expertise in der Show dient primär der Unterhaltung und als Grundlage für die Preisverhandlung im Händlerraum, nicht der rechtlichen Absicherung.

Die Sendung ist ein hervorragender erster Anhaltspunkt, um ein Gefühl für mögliche Werte zu bekommen und interessante Geschichten zu erfahren. Für eine verbindliche, geschäftliche Entscheidungsgrundlage ist sie jedoch unzureichend. Betrachten Sie die TV-Expertise als eine optimistische obere Schmerzgrenze und die Händlergebote als das, was im schnellen Handel realistisch erzielbar ist.

Die Anatomie einer antiken Uhr: Was Sammler wissen müssen

Eine antike Uhr ist mehr als nur ein Zeitmesser; sie ist ein komplexes mechanisches Kunstwerk. Ein grundlegendes Verständnis ihrer Anatomie ermöglicht es Ihnen nicht nur, die Arbeit eines Experten besser nachzuvollziehen, sondern auch selbst erste Anzeichen für Qualität oder potenzielle Probleme zu erkennen. Das Zusammenspiel von Gehäuse, Zifferblatt und Werk ist entscheidend für den Wert und die Authentizität einer Uhr. Besonders das Uhrwerk, das Herzstück, verrät dem Kenner fast alles über Herkunft, Qualität und Zustand.

Makroaufnahme des Uhrwerks einer antiken Glashütter Taschenuhr

Als Laie können Sie lernen, auf bestimmte Warnsignale, sogenannte „Red Flags“, zu achten. Diese helfen Ihnen, offensichtliche Fälschungen, unsachgemäße Reparaturen oder „Marriage“-Uhren – also Uhren, die aus nicht zusammengehörigen Teilen verschiedener Modelle zusammengesetzt wurden – zu identifizieren. Eine kritische Erstinspektion schärft Ihren Blick und bereitet Sie optimal auf das Gespräch mit einem Experten vor.

  • Prüfen Sie auf ‚Marriage‘-Uhren: Passen Gehäuse, Zifferblatt und Werk stilistisch und von der Epoche her zusammen? Ein barockes Zifferblatt in einem Art-déco-Gehäuse ist ein klares Warnsignal.
  • Erkennen Sie nachlackierte Zifferblätter: Eine zu perfekte, glänzende Oberfläche ohne jegliche Alterspatina (feine Risse, Verfärbungen) deutet oft auf eine Restaurierung oder Fälschung hin. Originale Zifferblätter altern in Würde.
  • Achten Sie auf überpolierte Gehäuse: Wenn Gravuren, Punzen (Hallmarks) oder die Kanten des Gehäuses verschwommen und weich wirken, wurde die Uhr wahrscheinlich zu oft und zu aggressiv poliert, was den Wert erheblich mindert.
  • Untersuchen Sie die Krone: Die Aufzugskrone ist ein Verschleißteil. Eine brandneue, makellose Krone an einer sichtlich alten Uhr deutet auf einen Austausch hin. Eine originale Krone zeigt einen zum Rest der Uhr passenden Abnutzungsgrad.
  • Vergleichen Sie Seriennummern: Bei vielen hochwertigen Uhren sind sowohl das Werk als auch das Gehäuse mit Seriennummern versehen. Ein Experte kann prüfen, ob diese Nummern zueinander passen und aus derselben Produktionscharge stammen.

Dieses Grundwissen versetzt Sie in die Lage, die richtigen Fragen zu stellen und die Aussagen eines Experten besser einzuordnen. Es verwandelt Sie von einem passiven Besitzer in einen informierten Gesprächspartner.

Gold, Platin oder Silber? Die wichtigsten Edelmetalle und ihre Legierungen erkennen

Bei Schmuck und Silberobjekten ist der Materialwert oft die Basis der gesamten Bewertung. Die Fähigkeit, die wichtigsten Edelmetalle und ihre Legierungen anhand ihrer Punzierungen (Stempel) zu identifizieren, ist daher eine fundamentale Fähigkeit. In Deutschland gibt das seit 1888 geltende Stempelgesetz klare Vorgaben. Der Feingehaltsstempel gibt den Anteil des reinen Edelmetalls in Tausendsteln an (z. B. „750“ für Gold bedeutet 750 von 1000 Teilen sind reines Gold). Bei Silber wurde zusätzlich der Reichsstempel (Halbmond und Krone) eingeführt, der die Einhaltung des Mindestfeingehalts garantiert.

Für den deutschen Markt sind bestimmte Feingehalte und ihre historischen Bezeichnungen besonders relevant. Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen schnellen Überblick über die gängigsten Punzierungen für Gold und Silber, die Sie auf geerbten Stücken finden können.

Deutsche Punzierungen und Feingehaltsstempel für Gold und Silber
Metall Feingehalt Stempel Historische Markierung
Silber 800 800 Halbmond + Krone (ab 1888)
Silber 835 835 (oft neben Halbmond + Krone)
Silber 925 925 Sterling Silber
Gold 333 333 / 8K 8 Karat
Gold 585 585 / 14K 14 Karat
Gold 750 750 / 18K 18 Karat

Doch der Wert eines Objekts geht oft weit über den reinen Materialwert hinaus. Die sogenannte Meisterpunze, das Zeichen des Herstellers oder Silberschmieds, kann den Wert vervielfachen. Berühmte deutsche Manufakturen haben eine eigene Sammlergemeinde, die bereit ist, für seltene Stücke hohe Aufpreise zu zahlen.

Fallstudie: Bedeutende deutsche Silbermanufakturen und ihre Meisterzeichen

Deutsche Silbermanufakturen wie Wilkens & Söhne (Bremen, gegr. 1810), Bruckmann & Söhne (Heilbronn, gegr. 1805) und Koch & Bergfeld (Bremen, gegr. 1829) prägten die europäische Silberschmiedekunst. Ihre Meisterzeichen – etwa der stilisierte Schwan von Wilkens oder das verschlungene B&S von Bruckmann – können den Wert eines Objekts um 30-50% über den reinen Materialwert hinaus steigern. Ein Experte erkennt diese Zeichen sofort und kann das Objekt historisch einordnen. Besonders begehrt sind heute Arbeiten dieser Manufakturen aus der Zeit des Jugendstils, die auf Auktionen regelmäßig Preise im vierstelligen Bereich erzielen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Zieldefinition vor Expertensuche: Klären Sie zuerst, ob Sie schnell verkaufen, den maximalen Wert erzielen oder ein rechtssicheres Gutachten benötigen.
  • Experten haben unterschiedliche Interessen: Ein Händler will günstig kaufen, ein Auktionator teuer verkaufen, ein Sachverständiger neutral bewerten. Wählen Sie strategisch.
  • Zertifikate sind nicht gleich Zertifikate: Ein unabhängiges Gutachten (z.B. von DSEF, GIA) hat einen ungleich höheren Stellenwert als ein einfaches Händlerzertifikat.

Das Urteil des Experten: So läuft eine professionelle Begutachtung Ihrer Antiquitäten ab

Nachdem Sie Ihre Ziele definiert und eine Vorauswahl potenzieller Experten getroffen haben, folgt der entscheidende Schritt: die professionelle Begutachtung. Dieser Prozess ist weit mehr als nur ein kurzer Blick mit der Lupe. Eine seriöse Expertise folgt einer strukturierten Vorgehensweise, die mit einer guten Vorbereitung Ihrerseits beginnt. Je mehr Informationen und Dokumente Sie zur Verfügung stellen, desto präziser und fundierter kann das Urteil des Experten ausfallen. Dazu gehören alte Kaufbelege, Fotos, Erbschaftsdokumente oder jegliche Form von Provenienznachweis.

Der eigentliche Begutachtungsprozess lässt sich in mehrere Phasen unterteilen. Viele Experten, insbesondere vereidigte Sachverständige, bieten heute eine Online-Erstschätzung auf Basis von Fotos an. Dies ist ein kosteneffizienter Weg (Kosten oft zwischen 25 € und 50 €), um eine erste professionelle Einschätzung zu erhalten, bevor Sie das Objekt physisch vorlegen. Für diese Ersteinschätzung sind qualitativ hochwertige Fotos aus mindestens sechs verschiedenen Perspektiven bei gutem Tageslicht unerlässlich. Fotografieren Sie auch alle Punzen, Signaturen oder Beschädigungen im Detail.

Die eigentliche physische Begutachtung umfasst dann eine detaillierte Analyse. Der Experte prüft Materialien, Verarbeitung, Zustand, Alter und Authentizität. Er vergleicht das Stück mit Referenzobjekten und recherchiert aktuelle Auktionsergebnisse für vergleichbare Objekte. Das Endergebnis einer professionellen Begutachtung ist idealerweise ein schriftliches Gutachten. Dieses Dokument enthält eine detaillierte Beschreibung des Objekts, eine Analyse seiner wertbestimmenden Merkmale, eine klare Wertermittlung (oft als Spanne zwischen Handels- und Wiederbeschaffungswert) und idealerweise eine konkrete Handlungsempfehlung, die auf Ihre ursprüngliche Zielsetzung zugeschnitten ist.

Mit diesem Wissen sind Sie kein Bittsteller mehr, sondern ein informierter Auftraggeber. Sie verstehen den Ablauf einer professionellen Begutachtung und wissen, was Sie von einem Experten erwarten können.

Nachdem Sie nun die verschiedenen Expertenrollen und Bewertungsfaktoren kennen, besteht der nächste logische Schritt darin, Ihre Schätze strategisch zu bewerten, indem Sie zunächst Ihr persönliches Ziel klar definieren. Dieser erste Schritt bestimmt den gesamten weiteren Erfolg.

Geschrieben von Elena Brandt, Elena Brandt ist seit über einem Jahrzehnt als Expertin in einem führenden deutschen Auktionshaus tätig und kennt die Mechanismen des internationalen Kunstmarktes wie kaum eine andere. Ihre Spezialgebiete sind die Preisbildung bei Auktionen sowie die strategische Beratung für Käufer und Verkäufer.