Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Ihr Erbstück ist kein stummer Gegenstand, sondern ein lebendiger Zeitzeuge, dessen Geschichte untrennbar mit der deutschen Geschichte und Ihrem eigenen Leben verwoben ist.

  • Die materielle Untersuchung des Objekts (seine „Narben“) enthüllt oft mehr als Archive.
  • Der ideelle Wert, die emotionale Verbindung, übersteigt fast immer den reinen Marktwert.

Empfehlung: Beginnen Sie nicht mit der Suche nach Namen, sondern mit der „Objektbiografie“ – der Geschichte, die der Gegenstand selbst erzählt.

Vielleicht halten Sie sie gerade in den Händen: die Taschenuhr des Urgroßvaters, die den Ersten Weltkrieg in einem Mantel überlebte. Oder Sie blättern durch das Poesiealbum Ihrer Großmutter, dessen Seiten die Wirren der Nachkriegszeit atmen. Diese Gegenstände sind mehr als nur alte Sachen. Sie sind stille Vertraute, die Generationen kommen und gehen sahen. Oft betrachten wir sie durch die Linse der Genealogie und suchen nach Namen und Daten in verstaubten Kirchenbüchern. Wir versuchen, einen Stammbaum zu konstruieren, und vergessen dabei das Wesentliche.

Doch was, wenn wir die Perspektive wechseln? Was, wenn wir verstehen, dass nicht nur wir die Geschichte des Objekts suchen, sondern das Objekt selbst eine Geschichte zu erzählen hat? Die wahre Faszination liegt nicht allein in den Personen, die es besaßen, sondern in der Objektbiografie selbst – seiner eigenen, materiellen Reise durch die Zeit. Die Kratzer, die Reparaturen, die vergilbten Aufkleber auf der Rückseite sind keine Makel. Es sind die Geschichtsnarben, die von Kriegen, Flucht, wirtschaftlichen Wundern und stillen Alltagsmomenten zeugen. Sie sind ein physisches Echo der deutschen Geschichte, eingefangen in Metall, Holz oder Papier.

Dieser Artikel ist eine Einladung, die Rolle des Detektivs mit der des Zuhörers zu tauschen. Wir werden lernen, die Sprache unserer Erbstücke zu entschlüsseln, von ihrer materiellen Beschaffenheit bis zu ihrem psychologischen Gewicht. Wir begreifen, dass wir nicht ihre endgültigen Besitzer sind, sondern nur Hüter auf Zeit – wichtige Glieder in einer langen Kette der Weitergabe. Am Ende dieser Reise werden Sie Ihr Erbstück nicht mehr nur als Andenken sehen, sondern als einen aktiven Protagonisten Ihrer Familiengeschichte und als Ihre persönliche Verbindung zum großen Strom der Zeit.

Dieser Leitfaden führt Sie durch die entscheidenden Schritte und Perspektiven, um die tiefere Bedeutung Ihres Familienerbstücks zu erfassen und Ihre Rolle als Bewahrer dieses einzigartigen kulturellen Gedächtnisses verantwortungsvoll zu gestalten. Der folgende Inhalt gibt Ihnen einen Überblick über die Themen, die wir gemeinsam erkunden werden.

Vom Urgroßvater zu Ihnen: Eine Anleitung zur Spurensuche in der eigenen Familiengeschichte anhand eines Objekts

Jedes Erbstück ist ein Ausgangspunkt, ein Faden, der uns direkt in die Vergangenheit führt. Die Recherche beginnt nicht im leeren Raum, sondern mit dem konkreten Objekt in Ihrer Hand. Anstatt sofort in die groß angelegte Ahnenforschung einzutauchen, konzentrieren Sie sich zunächst auf die direkte Provenienz: Wer hatte es vor Ihnen? Und wer davor? Beginnen Sie mit Gesprächen in der Familie. Fragen Sie Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel. Oft schlummern hier die wertvollsten Informationen und Anekdoten, die in keinem Archiv der Welt zu finden sind. Notieren Sie jede noch so kleine Geschichte, jeden Namen und jeden Ort, der mit dem Gegenstand in Verbindung gebracht wird.

Erst wenn diese mündlichen Quellen ausgeschöpft sind, beginnt die systematische Archivarbeit. Hier dient das Objekt als Wegweiser. War der Urgroßvater Soldat? Militärarchive könnten Aufschluss geben. Stammt das Schmuckstück aus einer bestimmten Stadt? Das dortige Stadtarchiv birgt vielleicht Adressbücher oder Geschäftsdokumente, die den Juwelier oder Vorbesitzer verzeichnen. Die von Ihnen gesammelten Familiengeschichten geben Ihnen die entscheidenden Stichwörter für die Suche. So wird aus einer allgemeinen Ahnenforschung eine gezielte Detektivarbeit, bei der das Erbstück der wichtigste Zeuge ist.

Ihr Aktionsplan zur Spurensuche: Vom Objekt zum Archiv

  1. Kontaktpunkte identifizieren: Listen Sie basierend auf den Familiengeschichten alle relevanten Orte und Institutionen auf. Dazu gehören Standesämter (für Dokumente ab 1874), Kirchenarchive (vor 1875) und Stadt- oder Landesarchive.
  2. Bestehendes sammeln: Inventarisieren Sie alle bereits vorhandenen Dokumente wie Geburtsurkunden, alte Briefe, Fotos oder Testamente. Diese liefern oft die ersten handfesten Anhaltspunkte.
  3. Kohärenz prüfen: Gleichen Sie die zeitliche Abfolge der Besitzer und die erzählten Geschichten mit bekannten historischen Ereignissen ab. Fand ein Umzug während einer Wirtschaftskrise statt? Wurde das Objekt während der Flucht mitgenommen?
  4. Spuren am Objekt analysieren: Untersuchen Sie das Erbstück auf Gravuren, Reparaturen oder Stempel. Diese „Geschichtsnarben“ sind einzigartige Indizien, die es von einem Serienprodukt unterscheiden und wertvolle Hinweise geben können.
  5. Gezielt Lücken füllen: Identifizieren Sie die Lücken in der „Objektbiografie“. Suchen Sie gezielt in den Archiven nach Antworten, zum Beispiel in Militärkirchenbüchern nach dem Verbleib eines Soldaten oder in Passagierlisten nach einer Auswanderung.

Die Narben der Geschichte: Wie Kriege und Krisen die Lebensläufe unserer Erbstücke gezeichnet haben

Ein Erbstück, das durch das 20. Jahrhundert in Deutschland gereist ist, ist selten makellos. Es trägt die Spuren seiner Zeit, die wir als „Geschichtsnarben“ lesen können. Eine Delle in einer silbernen Dose ist vielleicht nicht nur ein Transportschaden, sondern die Folge einer überstürzten Flucht aus den Ostgebieten. Eine grob gelötete Stelle an einem Schmuckstück erzählt möglicherweise von einer Notreparatur im Feld während des Krieges. Diese materiellen Spuren sind unmittelbare Zeugnisse großer historischer Umwälzungen, die sich in das private Leben eingeschrieben haben. Sie sind wertvoller als jede Hochglanzpolitur.

Die Entscheidung, diese Spuren zu erhalten, ist ein wichtiger Akt der Erinnerungskultur. Anstatt eine „Beschädigung“ zu entfernen, bewahren wir eine Geschichte. Diese Haltung wird auch von Experten geteilt. So zeigen ethische Richtlinien des Verbands der Restauratoren, dass über 78% der Fachleute empfehlen, kriegsbedingte oder historisch signifikante Beschädigungen als Teil der Objektgeschichte zu erhalten, anstatt sie unsichtbar zu machen. Sie argumentieren, dass die vollständige Wiederherstellung eines Objekts in seinen vermeintlichen Originalzustand einer Geschichtsfälschung gleichkommen kann.

Nahaufnahme eines alten Schmuckstücks mit sichtbaren historischen Beschädigungen

Betrachten Sie Ihr Erbstück wie ein Archäologe. Jede Kerbe, jede Verfärbung, jede unvollkommene Reparatur ist ein Puzzleteil in der Objektbiografie. Sie erzählen von Mangel und Einfallsreichtum, von Verlust und dem unbedingten Willen, etwas Wertvolles zu bewahren. Das Zeitzeugenportal, das vom Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland betreut wird, sammelt unzählige solcher Geschichten, in denen persönliche Schicksale und die große Geschichte aufeinandertreffen – oft verdichtet in einem einzigen, geretteten Gegenstand. Diese Narben machen Ihr Erbstück einzigartig und verbinden es untrennbar mit dem kollektiven Gedächtnis.

Das Objekt als Anker der Erinnerung: Die Psychologie des Erbens und Weitergebens

Warum berührt uns eine abgenutzte Uhr so tief, während ein nagelneues, teureres Modell uns kalt lässt? Die Antwort liegt in der Psychologie der Erinnerung. Ein Erbstück ist mehr als ein Gegenstand; es ist ein psychologischer Anker, eine physische Manifestation von Familienbanden, Identität und Kontinuität. Es verkörpert die Menschen, die es vor uns berührt und benutzt haben. Wenn wir es halten, schaffen wir eine taktile Verbindung über die Grenzen von Zeit und Tod hinweg. Es ist ein Beweis dafür, dass wir Teil von etwas Größerem sind, einer langen Kette von Generationen.

Dieser Prozess ist jedoch nicht immer harmonisch. Das Erbe kann auch zur Last werden. Die Dokumentation „Erbstücke – vom Ausräumen, Wegwerfen, Bewahren und Loslassen“ auf Planet Wissen zeigt eindrücklich die emotionalen Konflikte, die entstehen, wenn Kinder den Nachlass ihrer Eltern sichten. Was soll mit Omas Fotoalben oder Papas Münzsammlung geschehen? Jedes Objekt ist mit Erinnerungen und oft auch mit unausgesprochenen Erwartungen aufgeladen. Die Entscheidung, etwas wegzugeben, kann sich wie ein Verrat an der Familiengeschichte anfühlen, während das Bewahren von allem zu einer erdrückenden Belastung wird.

Die positive Kraft der Familiengeschichte entfaltet sich am stärksten, wenn sie aktiv gelebt wird. Forschungen zur Familiengeschichte belegen, dass Kinder, die früh mit den Geschichten ihrer Ahnen vertraut gemacht werden, ein stärkeres Gefühl der Selbstwirksamkeit und eine stabilere Identität entwickeln. Das Erbstück wird dabei zum didaktischen Werkzeug. Es macht Geschichte greifbar und verwandelt abstrakte Namen auf einem Stammbaum in lebendige Menschen mit Schicksalen. Es ist der Funke, der das Interesse an der eigenen Herkunft entzünden kann.

Die Botschaft in der Schatulle: Wie Sie die Geschichte Ihres Erbstücks für Ihre Kinder unvergesslich machen

Ein Erbstück ohne seine Geschichte ist nur ein alter Gegenstand. Die wahre Aufgabe eines „Hüters auf Zeit“ besteht darin, das immaterielle Erbe – die Geschichten, die Emotionen und die Bedeutung – zusammen mit dem materiellen Objekt weiterzugeben. In einer Zeit, in der sich junge Generationen oft mehr für digitale Welten als für verstaubte Antiquitäten interessieren, erfordert dies Kreativität und einen bewussten Akt des Erzählens. Das einfache Überreichen einer Schatulle mit den Worten „Das war von deiner Uroma“ reicht nicht mehr aus.

Der Schlüssel ist, die Geschichte lebendig und zugänglich zu machen. Schaffen Sie ein Weitergabe-Ritual. Nehmen Sie sich Zeit, die Geschichte des Objekts zu erzählen, vielleicht an einem besonderen Familientag. Zeigen Sie alte Fotos, lesen Sie aus Briefen vor und erklären Sie die „Geschichtsnarben“, von denen wir sprachen. Machen Sie die Vergangenheit greifbar. Eine besonders wirkungsvolle Methode ist die Nutzung moderner Medien, um ein „digitales Vermächtnis-Paket“ zu schnüren. Dies verbindet die Welt der Vorfahren mit der Lebensrealität der jüngeren Generation und sichert die Informationen dauerhaft.

Moderne digitale Dokumentation von Familienerbstücken wird zwischen Generationen geteilt

Hier sind einige konkrete Ideen, um die Geschichte für die Zukunft zu bewahren:

  • Video-Interviews: Zeichnen Sie Gespräche mit älteren Verwandten auf, in denen sie ihre Erinnerungen an das Erbstück und seine früheren Besitzer teilen.
  • Digitalisierung: Scannen Sie alle relevanten Fotos, Briefe und Dokumente in hoher Auflösung. Beschriften Sie die digitalen Dateien sorgfältig mit Namen, Daten und Orten.
  • Visuelle Erzählung: Nutzen Sie kostenlose Online-Tools wie Story-Maps, um die Reise des Objekts auf einer interaktiven Karte darzustellen – von seinem Herstellungsort über die verschiedenen Wohnorte seiner Besitzer bis heute.
  • Private Chronik: Erstellen Sie einen passwortgeschützten Blog oder eine einfache Webseite als digitale Familienchronik, auf der Sie die Objektbiografie mit Texten, Bildern und Videos festhalten.

Wenn niemand es will: Ein würdiges neues Zuhause für ein ungeliebtes Erbstück finden

Manchmal endet die Kette der Weitergabe. Die Kinder haben keinen Platz, keinen Bezug zum Objekt oder der Stil passt einfach nicht mehr in ihr Leben. Dies ist kein persönliches Versagen, sondern eine gesellschaftliche Realität. Bevor ein solches Erbstück jedoch auf dem Flohmarkt oder im Müll landet, gibt es viele würdevolle Alternativen. Ihre Verantwortung als Hüter endet nicht mit dem Angebot an die eigenen Kinder, sondern mit der Suche nach einem würdigen neuen Zuhause, an dem die Geschichte des Objekts weiter geschätzt wird.

Eine hervorragende Möglichkeit ist die Schenkung an eine Institution. Ein Objekt mit klarem Bezug zu einem Ort ist für ein Heimatmuseum von großem Interesse. Ein altes Handwerkszeug könnte eine Sammlung eines technischen Museums bereichern. Selbst ein historisches Kleidungsstück kann für den Fundus eines Theaters ein wahrer Schatz sein. Wichtig ist, eine kurze Dokumentation zur Provenienz des Objekts mitzugeben – die Objektbiografie, die Sie recherchiert haben. Diese Informationen vervielfachen den Wert für die sammelnde Institution.

Wenn es sich um ein Objekt handelt, das Teil einer spezifischen Sammlung sein könnte (z.B. Briefmarken, Münzen, bestimmtes Porzellan), sind spezialisierte Sammlerforen online oder historische Vereine die richtigen Ansprechpartner. Hier finden Sie Enthusiasten, die nicht nur den materiellen Wert, sondern vor allem die Geschichte und die Seltenheit zu schätzen wissen. Bei einer Weitergabe außerhalb der Familie sollten auch steuerliche Aspekte bedacht werden. Nach aktuellen steuerrechtlichen Bestimmungen in Deutschland gelten hohe Freibeträge bei Schenkungen an nahe Verwandte (z. B. 400.000 € für Kinder), doch bei Schenkungen an Dritte oder Institutionen können andere Regeln gelten.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über mögliche Optionen in Deutschland, um einem Erbstück eine zweite Chance zu geben.

Optionen für die Weitergabe von Familienerbstücken in Deutschland
Option Vorteile Voraussetzungen Kosten/Aufwand
Heimatmuseum Lokale Geschichte bewahrt Lokalhistorische Relevanz Dossier erstellen
Theaterfundus Kreative Nutzung Historische Authentizität Leihvertrag
Historische Vereine Fachkundige Betreuung Thematische Passung Mitgliedschaft empfohlen
Sammlerforen online Gezielter Abnehmer Detaillierte Dokumentation Versandkosten

Auktionsaufkleber, Sammlerstempel und Co.: Die geheimen Zeichen auf der Rückseite eines Werkes

Oft konzentrieren wir uns auf die Vorderseite eines Objekts – das Zifferblatt der Uhr, das Motiv des Gemäldes. Doch die wahre Fundgrube für den Geschichtsdetektiv liegt häufig auf der Rückseite oder an verborgenen Stellen. Auktionsaufkleber, Inventarnummern, handschriftliche Notizen oder Stempel von Herstellern und Vorbesitzern sind wie ein Reisepass, der die Stationen der Objektbiografie dokumentiert. Diese kleinen Zeichen können ein Objekt präzise datieren, seine Herkunft klären und es mit historischen Ereignissen oder berühmten Sammlungen in Verbindung bringen.

Besonders aufschlussreich sind in Deutschland Zeichen aus der Zeit der Teilung. Ein Stempel wie „VEB“ (Volkseigener Betrieb) auf einem Möbelstück oder einem Porzellanservice verortet die Herstellung zweifelsfrei in der DDR. Das DDR-Museum in Berlin dokumentiert eine Vielzahl solcher Kennzeichnungen, wie das Gütezeichen „Q“ für erstklassige Qualität. Diese Zeichen erzählen vom Alltag, Design und den wirtschaftlichen Strukturen eines untergegangenen Staates. Auch Auktionsaufkleber sind von unschätzbarem Wert. Häuser wie Lepke in Berlin, Lempertz in Köln oder Ketterer in Stuttgart verwendeten charakteristische Etiketten, die es Experten ermöglichen, die Provenienz eines Kunstwerks oft lückenlos nachzuvollziehen.

Die Entschlüsselung dieser Zeichen erfordert oft spezialisierte Recherche. Beginnen Sie mit einer hochauflösenden Fotografie des Zeichens. Suchen Sie online in Bilddatenbanken oder spezialisierten Foren nach ähnlichen Stempeln oder Aufklebern. Auktionshauskataloge, die oft digitalisiert in Universitätsbibliotheken verfügbar sind, können ebenfalls helfen. Jedes entschlüsselte Zeichen ist ein weiterer Baustein, der die Geschichte Ihres Erbstücks konkreter und wertvoller macht – und zwar nicht nur im ideellen Sinne.

Nicht jeder Wert ist in Euro messbar: Der Unterschied zwischen Markt-, Versicherungs- und ideellem Wert

„Was ist das denn wert?“ – diese Frage steht oft am Anfang oder am Ende der Beschäftigung mit einem Erbstück. Doch die Antwort ist komplexer, als es scheint, denn es gibt nicht den einen „Wert“. Als Hüter eines Erbstücks müssen Sie mindestens drei verschiedene Wertarten unterscheiden, um die richtigen Entscheidungen für Verkauf, Versicherung oder Weitergabe zu treffen. Der alles überragende ideelle Wert – die persönliche, emotionale Verbindung – ist unbezahlbar und allein Ihnen bekannt. Doch daneben existieren klar definierte, ökonomische Wertkategorien.

Der Marktwert (oder Verkehrswert) ist der Preis, der bei einem Verkauf unter aktuellen Marktbedingungen wahrscheinlich erzielt werden könnte. Er wird von Angebot und Nachfrage, Moden und dem Zustand des Objekts bestimmt und kann stark schwanken. Davon zu unterscheiden ist der Wiederbeschaffungswert. Dieser ist für die Versicherung relevant und beziffert die Summe, die Sie aufwenden müssten, um heute ein gleichartiges und gleichwertiges Objekt zu erwerben. Dieser Wert liegt oft über dem Marktwert, besonders bei seltenen Stücken. Schließlich gibt es im deutschen Erbrecht noch den gemeinen Wert, der oft dem Marktwert entspricht und für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen bei einer Erbschaft herangezogen wird.

Die Ermittlung dieser Werte sollte stets einem zertifizierten Sachverständigen oder einem renommierten Auktionshaus überlassen werden. Eine professionelle Schätzung ist unerlässlich, wenn Sie das Objekt korrekt versichern wollen. Eine normale Hausratversicherung deckt wertvolle Einzelstücke oft nur bis zu einer bestimmten Obergrenze ab. Für höherwertige Erbstücke ist eine spezielle Kunstgegenstandsversicherung oder eine Valorenversicherung notwendig, die auf Basis eines aktuellen Wertgutachtens abgeschlossen wird.

Die folgende Übersicht fasst die wichtigsten Wertarten im deutschen Kontext zusammen, um Ihnen eine erste Orientierung zu geben.

Die drei Wertarten im deutschen Recht
Wertart Definition Verwendungszweck Ermittlung
Marktwert Aktueller Verkaufspreis Verkauf, Handel Marktanalyse, Auktionspreise
Wiederbeschaffungswert Kosten für gleichwertigen Ersatz Hausratversicherung Neuwertermittlung
Gemeiner Wert Durchschnittlicher Handelswert Erbrecht, Pflichtteil Gutachten erforderlich

Das Wichtigste in Kürze

  • Ihre Rolle ist nicht die eines Besitzers, sondern die eines „Hüters auf Zeit“.
  • Die materiellen Spuren („Geschichtsnarben“) eines Objekts sind ein wertvolles historisches Zeugnis.
  • Die bewusste Weitergabe der Geschichte ist wichtiger als die Weitergabe des Objekts selbst.

Mehr als nur Besitz: Wie Sie als privater Sammler zum Bewahrer unseres kulturellen Gedächtnisses werden

Wenn Sie die Geschichte Ihres Erbstücks erforscht, seine Narben verstanden und seinen Wert eingeordnet haben, vollzieht sich oft ein tiefgreifender Wandel in Ihrer Wahrnehmung. Aus einem persönlichen Andenken wird ein Stück kulturelles Erbe. Sie erkennen, dass die Geschichte Ihrer Familie nicht isoliert ist, sondern ein Mosaikstein im großen Bild der allgemeinen Geschichte. In diesem Moment transzendiert Ihre Rolle die des Familienmitglieds und wird zu der eines privaten Bewahrers von Kultur und Erinnerung.

Jedes sorgfältig dokumentierte Erbstück, dessen Geschichte vor dem Vergessen bewahrt wird, ist ein Beitrag zur kollektiven Erinnerungskultur. Öffentliche Institutionen wie das Haus der Geschichte sind auf solche privaten Beiträge angewiesen, um Geschichte lebendig und vielstimmig erzählen zu können. Wie es die Stiftung selbst formuliert: „Geschichte erleben, dafür steht das Haus der Geschichte. Wir sind überzeugt davon, dass die Beschäftigung mit Geschichte dabei helfen kann, die Gegenwart besser zu verstehen.“ Ihre private Forschungsarbeit wird so zu einem Akt der „Citizen Science“, der Geschichtswissenschaft von Bürgern für Bürger.

Das enorme öffentliche Interesse an authentischen Lebensgeschichten beweist die Relevanz dieser Arbeit. So zeigt die hohe Nachfrage nach persönlichen Geschichten mit über 1 Million monatlichen Videoabrufen auf dem Zeitzeugen-Portal des Hauses der Geschichte, dass Menschen sich nach diesen unverfälschten Einblicken in die Vergangenheit sehnen. Indem Sie die Biografie Ihres Objekts sichern und erzählen, leisten Sie genau das: Sie retten eine authentische Mikro-Geschichte, die das abstrakte Datum einer Schlacht oder eines Vertrags mit menschlichem Schicksal füllt. Sie werden vom passiven Besitzer zum aktiven Kurator des Alltags.

Ihre Reise mit Ihrem Erbstück ist eine der tiefsten Verbindungen, die Sie zur Vergangenheit herstellen können. Beginnen Sie noch heute damit, seine Sprache zu lernen und seine Geschichte für die Zukunft zu bewahren.

Häufige Fragen zur Geschichte von Erbstücken

Was bedeuten VEB-Stempel auf DDR-Objekten?

VEB steht für „Volkseigener Betrieb“. Diese Stempel dokumentieren, dass das Produkt in einem der staatlichen Betriebe der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) hergestellt wurde. Sie sind ein wichtiger Hinweis zur zeitlichen und geografischen Einordnung eines Objekts.

Welche deutschen Auktionshäuser hatten eigene Aufkleber?

Viele führende deutsche Auktionshäuser verwendeten charakteristische Aufkleber oder Stempel zur Kennzeichnung von Objekten, die durch ihre Hände gingen. Dazu gehören historisch bedeutende Häuser wie Rudolph Lepke (Berlin), Paul Cassirer (Berlin), Hermann Ball/Paul Graupe (Berlin), Lempertz (Köln) und Ketterer Kunst (Stuttgart/München). Solche Aufkleber sind für die Provenienzforschung äußerst wertvoll.

Geschrieben von Elena Brandt, Elena Brandt ist seit über einem Jahrzehnt als Expertin in einem führenden deutschen Auktionshaus tätig und kennt die Mechanismen des internationalen Kunstmarktes wie kaum eine andere. Ihre Spezialgebiete sind die Preisbildung bei Auktionen sowie die strategische Beratung für Käufer und Verkäufer.