Veröffentlicht am März 15, 2024

Die wahre Expertise beim Bewerten von Porzellan liegt nicht im Erkennen einer bekannten Marke, sondern im Entschlüsseln des gesamten Zeichensystems auf der Unterseite des Objekts.

  • Eine Manufakturmarke ist nur der Anfang; Formnummern, Blindstempel und Malerzeichen erzählen die komplette Geschichte eines Stücks.
  • Die Methode zur Erkennung von Fälschungen gleicht einer forensischen Analyse: Sie suchen nach Anachronismen im Material, im Stil und in der Marke selbst.
  • Die systematische Recherche in digitalen Datenbanken und Fachliteratur ist unerlässlich, um den Kontext einer Marke zu verstehen und den Wert präzise zu bestimmen.

Empfehlung: Betrachten Sie jede Porzellan-Unterseite wie einen Tatortbericht. Lernen Sie, alle Spuren zu lesen, nicht nur die offensichtlichste, um den wahren Schatz vom gewöhnlichen Fund zu unterscheiden.

Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einem belebten Flohmarkt in Deutschland. Zwischen altem Hausrat und Kuriositäten entdecken Sie eine filigrane Porzellanfigur. Ein schneller Blick auf den Boden offenbart eine blaue Marke. Ist das der erhoffte Dachbodenfund, ein echtes Stück Meißner Porzellan? Für die meisten Sammler beginnt und endet die Untersuchung hier. Sie versuchen, die Marke mit den bekannten Symbolen der großen Manufakturen wie KPM, Meißen oder Nymphenburg abzugleichen. Doch dieser Ansatz ist, als würde ein Detektiv nur den auffälligsten Fingerabdruck an einem Tatort beachten und alle anderen Spuren ignorieren.

Die wahre Meisterschaft, die Fähigkeit, einen echten Schatz von einer cleveren Fälschung zu unterscheiden, liegt viel tiefer. Was, wenn der Schlüssel nicht allein im Erkennen der Hauptmarke liegt, sondern im Verständnis des gesamten Systems aus Zeichen, Ziffern und Symbolen? Die Signatur des Meisters ist selten nur ein einziges Zeichen. Sie ist ein komplexer Code, ein „Tatortbericht“, der Auskunft über Epoche, Qualität, Form und sogar den Künstler gibt. Es geht nicht nur darum zu wissen, *wer* es gemacht hat, sondern *wann*, *wie* und *warum*.

Dieser Artikel wird Sie zum Marken-Detektiv ausbilden. Wir werden die oberflächliche Markensuche hinter uns lassen und lernen, die gesamte „Marken-DNA“ zu lesen. Von den berühmten gekreuzten Schwertern bis zu unscheinbaren, eingepressten Ziffern – Sie werden lernen, wie Experten die Echtheit und den Wert eines Objekts bestimmen, indem sie die verborgenen Geschichten entschlüsseln, die auf dem Porzellanboden geschrieben stehen. Machen Sie sich bereit, Ihren Blick zu schärfen und die Sprache der Meister zu verstehen.

Um Sie systematisch in die Kunst der Marken-Entschlüsselung einzuführen, beleuchtet dieser Leitfaden jeden Aspekt der detektivischen Arbeit eines Sammlers. Vom Fundament der großen deutschen Manufakturen bis hin zur forensischen Prüfung von Signaturen auf verschiedensten Kunstobjekten.

KPM, Meißen, Nymphenburg: Die Geschichte der großen deutschen Porzellan-Manufakturen

Jede große Ermittlung beginnt mit dem Verständnis des historischen Kontexts. Um die Signaturen der Meister zu entschlüsseln, müssen wir zuerst die Meister selbst kennenlernen. Die Geschichte der deutschen Porzellankunst ist untrennbar mit drei ikonischen Namen verbunden: Meißen, die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) und Nymphenburg. Ihre Gründung war nicht nur ein künstlerischer, sondern auch ein wirtschaftlicher und politischer Akt. Porzellan war das „weiße Gold“ des 18. Jahrhunderts, und die Fähigkeit, es herzustellen, ein Zeichen von Macht und Prestige.

Allem voran steht Meißen. Die Meißner Manufaktur wurde bereits 1710 gegründet und gilt als die erste Porzellanmanufaktur Europas. August der Starke, Kurfürst von Sachsen, hielt den Alchemisten Johann Friedrich Böttger quasi gefangen, bis dieser das Geheimnis des Hartporzellans lüftete. Die berühmten gekreuzten Schwerter, ab 1720 als Marke eingeführt, waren eine der ersten Maßnahmen weltweit, um ein Luxusprodukt vor Nachahmung zu schützen. Die „Marken-DNA“ von Meißen ist faszinierend: Die Form der Schwerter, die Punkte oder Sterne um sie herum – all das sind Hinweise, die eine präzise Datierung ermöglichen.

Nicht viel später zog Preußen nach. Friedrich der Große gründete 1763 die KPM in Berlin und verlieh ihr das königliche Zepter als Markenzeichen. Dieses Symbol garantierte nicht nur höchste Qualität, sondern auch den direkten Bezug zum preußischen Hof. Ähnlich verfuhr das bayerische Kurfürstentum mit der 1747 gegründeten Porzellan Manufaktur Nymphenburg, deren Marke das bayerische Rautenwappen zeigt. Diese Gründungsgeschichten sind entscheidend, denn sie zeigen: Eine Manufakturmarke war von Anfang an mehr als ein Logo – sie war ein Herkunftsnachweis, ein Qualitätssiegel und ein Schutz vor Fälschung.

Die Sprache des Porzellans: Das bedeuten die Bodenmarken von Meißen, KPM & Co

Nachdem wir die Hauptakteure kennen, ist es Zeit, ihre Sprache zu lernen. Die Unterseite eines Porzellanstücks ist kein leerer Raum, sondern eine Leinwand voller Informationen. Ein erfahrener Sammler liest diese Zeichen wie ein Buch. Die Manufakturmarke ist dabei nur die Überschrift, doch der eigentliche Inhalt steckt oft in den Details. Jedes Zeichen, jede Zahl hat eine Bedeutung und trägt zur vollständigen Identifizierung und Bewertung bei. Es ist die Kombination aller Elemente, die den wahren „Tatortbericht“ eines Objekts ausmacht.

Die offensichtlichste Signatur ist die Manufakturmarke selbst. Meist in Kobaltblau unter der Glasur aufgetragen, identifiziert sie den Hersteller. Doch selbst hier lauern Tücken. Die Form der Meißner Schwerter änderte sich über die Jahrhunderte, das KPM-Zepter wurde mal mit, mal ohne den Reichsapfel dargestellt. Ein Vergleich mit verlässlichen Markenverzeichnissen ist hier unerlässlich. Die folgende Abbildung zeigt die Komplexität und Vielfalt dieser Markierungen.

Detaillierte Makroaufnahme verschiedener Porzellanbodenmarken mit Manufakturmarke, Malermarke und Formnummern
Geschrieben von Elena Brandt, Elena Brandt ist seit über einem Jahrzehnt als Expertin in einem führenden deutschen Auktionshaus tätig und kennt die Mechanismen des internationalen Kunstmarktes wie kaum eine andere. Ihre Spezialgebiete sind die Preisbildung bei Auktionen sowie die strategische Beratung für Käufer und Verkäufer.