Keramik & Porzellan

Liebe Kunstfreundinnen und Kunstfreunde, fast jeder von uns hat schon einmal ein Stück Keramik oder Porzellan in der Hand gehalten, das eine besondere Faszination ausübte. Sei es die geerbte Porzellantasse von der Großmutter, eine seltsam geformte Vase vom Flohmarkt oder ein handgetöpferter Becher aus einem kleinen Atelier. Diese Objekte sind mehr als nur Gebrauchsgegenstände; sie sind Zeugen ihrer Zeit, Träger von Geschichten und Ausdruck künstlerischen Schaffens.

Doch die Welt von Keramik und Porzellan kann auf den ersten Blick komplex und unübersichtlich wirken. Was genau ist der Unterschied zwischen Porzellan und Keramik? Wie erkennt man, woher ein Stück stammt und wie alt es ist? Und was macht ein Objekt zu einem wertvollen Sammlerstück? Dieser Artikel dient Ihnen als Kompass und Einstiegspunkt, um mit Zuversicht und Freude in die faszinierende Materie einzutauchen und die grundlegenden Geheimnisse des „weißen Goldes“ und seiner erdigen Verwandten zu entschlüsseln.

Was unterscheidet Keramik, Porzellan und Fayence wirklich?

Die korrekte Einordnung eines Objekts ist der erste und wichtigste Schritt für jeden Liebhaber. Oft werden die Begriffe synonym verwendet, doch materiell und technisch gibt es fundamentale Unterschiede. Man kann es sich ein wenig wie bei Stoffen vorstellen: Baumwolle, Leinen und Seide fühlen sich unterschiedlich an und haben verschiedene Eigenschaften. Ähnlich ist es hier.

  • Keramik: Dies ist der Oberbegriff für aus Ton gebrannte Erzeugnisse. Im engeren Sinne meint man damit oft Steingut oder Irdenware. Sie ist opak (lichtundurchlässig) und porös. Ein abgeplatztes Stück zeigt einen erdigen, oft rötlichen oder grauen Scherben. Keramik ist der robuste Alleskönner, wie ein strapazierfähiger Baumwollstoff.
  • Fayence (und Majolika): Eine besondere Form der Keramik. Der poröse, farbige Scherben wird mit einer deckenden, meist weißen Zinnglasur überzogen, auf die dann gemalt wird. Sie wirkt feiner als einfache Keramik, ist aber unter der Glasur immer noch opak. Denken Sie an ein Leinentuch, das durch eine feine Beschichtung veredelt wird.
  • Porzellan: Das „weiße Gold“. Es wird aus einer speziellen Mischung aus Kaolin, Feldspat und Quarz bei sehr hohen Temperaturen (über 1300 °C) gebrannt. Das Ergebnis ist ein transluzenter (lichtdurchlässiger), harter und nicht poröser Scherben. Hält man eine dünne Porzellantasse gegen das Licht, scheint die Hand durch. Porzellan ist die Seide unter den keramischen Werkstoffen – edel, fein und von hoher Dichte.

Die Anatomie eines Meisterwerks: Qualität erkennen lernen

Ein Porzellanstück ist mehr als die Summe seiner Teile, doch die Analyse dieser Teile verrät viel über seine Qualität. Um den wahren Charakter eines Objekts zu beurteilen, müssen Sie lernen, wie ein Experte hinzusehen. Achten Sie auf die drei wesentlichen Bestandteile:

Der Scherben: Das Fundament des Stücks

Der „Scherben“ ist der eigentliche Körper des Objekts unter der Glasur. Bei hochwertigem Porzellan ist er reinweiß, frei von Flecken oder Unreinheiten. Ein leicht gräulicher oder gelblicher Stich kann auf eine geringere Qualität der Rohstoffe hinweisen. Die Dünnwandigkeit und gleichmäßige Formgebung sind ebenfalls wichtige Qualitätsmerkmale, die auf großes handwerkliches Geschick schließen lassen.

Die Glasur: Der schützende Glanz

Die Glasur ist der glasartige Überzug, der den Scherben versiegelt. Eine perfekte Glasur liegt glatt und ebenmäßig auf, ohne Risse (außer bei gewolltem Krakelee), Bläschen oder „Nadelstiche“. Sie sollte den Glanz gleichmäßig reflektieren und die darunterliegende Malerei zum Leuchten bringen.

Die Malerei und der Dekor: Die künstlerische Seele

Ob handgemaltes Blumenbouquet oder gedrucktes Muster – die Qualität des Dekors ist entscheidend. Bei einer Handmalerei achten Sie auf die Feinheit der Pinselstriche, die Lebendigkeit der Farben und die Detailgenauigkeit. Ist die Linie zittrig oder präzise? Wirken die Farben flach oder haben sie Tiefe? Selbst bei Druckdekoren gibt es große Unterschiede in der Schärfe und Farbbrillanz.

Die geheime Sprache der Marken: Herkunft und Alter bestimmen

Auf der Unterseite der meisten Porzellan- und Keramikobjekte verbirgt sich ein kleines Zeichen: die Manufakturmarke. Diese Marke ist wie der Personalausweis des Stücks. Sie zu entziffern, ist eine der spannendsten Detektivarbeiten für Sammler und Interessierte.

Die wichtigsten Arten von Porzellanmarken

Man unterscheidet hauptsächlich zwei Arten von Marken, je nachdem, wann sie im Herstellungsprozess angebracht wurden:

  1. Die Unterglasurmarke: Sie wird vor dem Glasieren und dem Hauptbrand auf den Scherben aufgetragen. Sie ist daher untrennbar mit dem Stück verbunden und fühlt sich glatt an. Die berühmteste Unterglasurmarke ist das Kobaltblau, da diese Farbe die hohen Temperaturen des Porzellanbrandes übersteht.
  2. Die Aufglasurmarke: Sie wird nach dem Hauptbrand auf die Glasur aufgetragen und bei niedrigerer Temperatur eingebrannt. Sie liegt fühlbar auf der Glasur. Oft sind dies zusätzliche Marken in Rot, Grün oder Gold, die auf eine bestimmte Malerwerkstatt oder einen Veredler hinweisen.

Die großen deutschen Manufakturen: Ein Erbe aus Porzellan

Gerade in Deutschland hat Porzellan eine immense kulturhistorische Bedeutung. Die Kenntnis der wichtigsten Marken ist für jeden Sammler hierzulande unerlässlich. Die „großen Drei“ sind ein perfekter Ausgangspunkt:

  • Meißen: Die erste Porzellanmanufaktur Europas, gegründet 1710. Ihre Marke, die gekreuzten Kurschwerter, ist weltweit ein Synonym für Luxusporzellan. Die Form der Schwerter (mit oder ohne Knäufe, gerade oder gebogen) hilft bei der genauen Datierung.
  • KPM Berlin (Königliche Porzellan-Manufaktur): Gegründet von Friedrich dem Großen 1763. Ihr Markenzeichen ist das kobaltblaue Zepter. KPM ist bekannt für ihre klassizistische Strenge und hohe künstlerische Qualität.
  • Nymphenburg: Die Porzellan Manufaktur Nymphenburg in München, gegründet 1747, verwendet als Marke das bayerische Rautenwappen, das meist eingepresst (als Blindstempel) wird.

Mehr als nur die Hauptmarke: Blindstempel und Formnummern

Suchen Sie neben der farbigen Marke auch nach unscheinbaren Zeichen. Oft finden sich eingepresste oder geritzte Zahlen und Symbole. Ein Blindstempel kann auf die Manufaktur hinweisen (wie bei Nymphenburg), während Form- und Modellnummern Aufschluss über das spezifische Modell und manchmal sogar das Herstellungsjahr geben. Sie sind wertvolle Puzzleteile bei der Identifizierung.

Vom Gebrauchsobjekt zum Sammlerstück: Was macht den Wert aus?

Nicht jedes alte Porzellanstück ist automatisch wertvoll. Der Wert setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen, die im Zusammenspiel wirken.

Die wichtigsten Sammelgebiete umfassen Figuren, Geschirr und Vasen, wobei jedes Gebiet seine eigenen Spezialisten und Merkmale hat. Unabhängig vom Gebiet sind jedoch folgende Kriterien für die Wertbestimmung entscheidend:

  • Manufaktur und Künstler: Ein Stück von Meißen oder KPM hat per se einen höheren Ausgangswert als eine unbekannte Marke. Wenn das Stück zusätzlich einem berühmten Modelleur oder Maler zugeordnet werden kann, steigt der Wert exponentiell.
  • Epoche und Seltenheit: Stücke aus frühen Perioden einer Manufaktur oder limitierte Auflagen sind oft besonders begehrt.
  • Zustand: Dies ist ein absolut kritisches Kriterium. Ein perfektes Stück ohne Chips, Risse oder Restaurierungen ist immer um ein Vielfaches mehr wert als ein beschädigtes.
  • Künstlerische Qualität: Eine außergewöhnlich feine Malerei oder eine besonders ausdrucksstarke Modellierung kann ein Stück auch jenseits seiner Marke wertvoll machen. Hier kommt die Studiokeramik ins Spiel, bei der der individuelle Künstlername oft wichtiger ist als eine Manufakturmarke.

Die Schönheit der Imperfektion: Kintsugi als philosophischer Gegenentwurf

In der europäischen Tradition gilt eine Reparatur dann als perfekt, wenn sie unsichtbar ist. Ein Sprung in der Vase mindert ihren Wert, eine fehlende Hand an einer Figur ist ein Drama. Eine völlig andere Philosophie verfolgt die japanische Technik des Kintsugi (金継ぎ), was so viel wie „Goldverbindung“ bedeutet.

Hier werden gebrochene Keramikteile nicht unsichtbar geklebt, sondern die Bruchstellen werden mit einem speziellen Lack (Urushi) verbunden und mit Goldpuder bestreut. Die „Narbe“ wird so nicht versteckt, sondern bewusst hervorgehoben und ästhetisch gefeiert. Kintsugi basiert auf der philosophischen Idee des Wabi-Sabi, das die Schönheit im Unvollkommenen und Vergänglichen sieht. Eine Reparatur erzählt so die Geschichte des Objekts weiter und macht es einzigartig. Diese Sichtweise ist ein wunderbarer Denkanstoß, unseren eigenen Umgang mit Beschädigungen zu überdenken und die Lebensgeschichte eines Objekts wertzuschätzen.

Die Signatur des Meisters: So entschlüsseln Sie die geheimen Codes auf Porzellan und Kunst

Die Identifizierung einer Porzellanmarke ist keine reine Suche, sondern eine detektivische Untersuchung, die den wahren Wert und die Geschichte eines Objekts enthüllt. Die Bodenmarke ist ein „Fingerabdruck der Geschichte“, der Auskunft über Herkunft, Alter und sogar die Qualität (z. B….

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